Zunächst zu unserer Finanzbranche. Zu mindestens in Europa war das Jahr 2008 der Beginn eines permanenten Anspannungs- und Krisenzustandes.Und was wird den Unternehmen in Form von Banken seit Jahren angesichts von Negativzinsen, Regulatorik, Digitalisierung und demographischen Veränderungen nicht alles empfohlen: das Geschäftsmodell überdenken, Provisionen steigern, die Kosten senken, wie FinTechs agieren, kooperieren, fusionieren, digitaler und profitabler werden, sich konsequent an den Kundenbedürfnissen ausrichten sowie innovative Wege zum Kunden finden und vieles mehr.Und wie reagiert unsere Branche auf diese wohlgemeinten Ratschläge der Bundesbank und der Aufsicht, der Politik und professoraler Berater: wie aufgescheuchte Hühner, die sich möglichst wie Musterschüler verhalten möchten. Es wohlfeil allen recht machen wollen – auch die unsinnigste Regulatorik einhalten, Negativzinsen weitergeben, agil werden, Kosten senken und gleichzeitig alle Formalien einhalten, die Bürokraten so ersonnen haben.
Oder was ist von einer Branche zu halten, die es klaglos zulassen muss, dass sich Aufsichtsvertreter in Beratungsgespräche mit Kunden setzen und diese protokollieren? Um dann im stillen Aufsichtskämmerlein zu strukturieren und zu entwerfen, wie ein ideales Beratungsgespräch ihrer Meinung nach abzulaufen hat. Kann man sich ernsthaft vorstellen, dass ein Arzt unter der Aufsicht der kassenärztlichen Vereinigung operiert?
Ein regulatorischer, vereinheitlichender und zinspolitischer Schraubstock lässt das Individuelle, Unternehmerische im Bankwesen hinter der Bürokratie verschwinden. Die Kosten der Selbstorganisation können schlicht nicht mehr verdient werden. So ist die Anzahl der Seiten der europäischen Bankenregulierung von 6.000 Seiten in 2013 auf 34.000 Seiten in 2019, also um fast das 5-fache angestiegen! Am Ende eines bereits eingeleiteten Prozesses könnte das Ende des Bankwesens, so wie wir es kennen und brauchen, stehen. Ein Übergang zu einer wie auch immer gearteten Form einer geplanten Wirtschaft in hybrider Form ist bereits im Gange. Das System frisst sich selbst auf und der Bankunternehmer verschwindet. Gabor Steingart schrieb dazu: „Im Unterschied zu den Revolutionären vorangegangener Jahrhunderte, die Barrikaden in Brand steckten und Dynamit in den Taschen trugen, sind die neuen Aufständischen gesittet und höflich. Banken werden nicht gestürmt, sondern reguliert.“ So ist die Anzahl der Mitarbeiter in der deutschen Kreditwirtschaft seit 2009 um gut 100 Tausend, das sind knapp 16% zurückgegangen, während allein die BaFin im gleichen Zeitraum ihr Personal um über 50 % aufgestockt hat. Und ein weiterer Punkt beunruhigt mich zutiefst: Vergleicht man das Ansehen verschiedener Berufsgruppen zwischen 2007 und 2019 so verwundert es vielleicht nicht, dass Feuerwehrmänner, Ärzte und Krankenpfleger mit 97% bis 87 % weiterhin an vorderster Stelle des hohen Ansehens stehen. Und auch erwartbar, dass das Image von Versicherungsvertretern mit 8 % ähnlich schlecht ist, wie das von Politikern mit 16%. Nachdenkenswert ist allerdings, dass sowohl Bankangestellte mit einem Rückgang um 14 Prozentpunkten, Manager um 18 PP und Unternehmer mit sogar 20 Prozentpunkten erratisch an gesellschaftlichen Ansehen verloren haben.